Kinder aus Spenderzellen: Werden sie genauso geliebt und angenommen?
29.11.2022 · 3 min LesungWir schreiben das Jahr 1978 und das erste Kind aus dem Reagenzglas erblickt das Licht der Welt. Seit jener Zeit verfolgt die ganze Welt, welche Wunder die Reproduktionsmedizin vollbringen kann. So wie die Babys geboren werden, stellen sich aber auch neue Fragen: Was bedeutet es für das Kind selbst? Können sie durch das Fehlen der genetischen Verbindung zu den Eltern Schaden nehmen?
Die Liebe nicht-biologischer Eltern
Eine Eizellenspende oder Samenspende bedeutet für viele Paare mit Kinderwunsch die Erfüllung ihres Traums, aber im Vergleich zur natürlichen Empfängnis kann diese Entscheidung für das Umfeld „ein Schock“ sein. Der Grund dafür sind zwei grundlegende Befürchtungen – die erste ist, dass die nicht-genetischen Eltern ihren Kindern nicht so nah seien, oder ihnen gegenüber sogar eine Art Feindschaft empfinden könnten; die zweite Befürchtung ist, ob die unbekannte genetische Herkunft nicht die psychische Gesundheit der Kinder gefährde. Was haben Forschungen herausgefunden?
Antworten liefern Längsschnittstudien
Bei der Suche nach Antworten helfen uns Informationen „aus erster Hand“, in diesem Fall aus Familien, die dank Eizellenspende, Samenspende bzw. Leihmutterschaft (das Baby wird von einer Leihmutter ausgetragen) entstanden sind. Entwickeln diese Eltern schlechter Gefühlsbindungen zu ihren Kindern? Können Sie ihren Kindern dieselbe Wärme entgegenbringen wie Eltern, die ihre Kinder auf natürlichem Wege gezeugt haben?
Mama, Papa, nun bin ich auf der Welt. Wird es Euch schwerfallen, mich zu lieben?
Allen Erwartungen zum Trotz zeigte eine der Längsschnittstudien, dass Mütter aus Familien, die durch Spenderzellen entstanden, ein höheres Maß an Innigkeit, Freude am Elternsein sowie eine stärkere gefühlsmäßige Verbundenheit mit ihren einjährigen Kindern zeigten, als Mütter natürlich geborener Kinder. Zudem unterschieden sich Mütter, die mithilfe von Eizellenspende schwanger wurden, nicht von Müttern, die durch Samenspende schwanger wurden. Die frühe Mutterschaft und Kindheit werden von der Art der Empfängnis offenbar nicht beeinträchtigt… Skeptiker könnten aber anbringen, dass das, was für ein Baby gelte, keineswegs auch später gelten müsse.
Nicht-biologische Eltern im Alter der Trotzphase
Wie man so schön sagt: „kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“, doch auch in diesem Fall konnten die Befürchtungen nicht bestätigt werden. Vom Kleinkind- bis Vorschulalter zeigten Mütter von Kindern aus künstlicher Befruchtung höhere Mutterqualitäten als Mütter, deren Kinder auf natürliche Weise zur Welt kamen – sie wurden seltener wütend und zeigten ein geringeres Maß an Gefühlen wie Schuld und Enttäuschung. Auch bei den Vätern war es nicht anders – ihre Beziehung zu ihrem einjährigen oder zweijährigen Kind war vergleichbar mit der von Vätern natürlich geborener Kinder, sie zeigten sogar ein geringeres Maß an Stress und mehr Freude am Elternsein. Kurz gesagt, konnten sie ihre Rolle genießen und empfanden sie als weniger belastend.
Mit sieben Jahren kommt das Alter, in dem die Fragen beginnen
Eines der meist diskutierten Probleme auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung ist, ob die Eltern bei Fragen, wie ihre Kinder auf die Welt kamen, offen sein sollten. Und jetzt kommt der entscheidende Moment. Was und wie viel sollte man den Kindern überhaupt erzählen? Es hat sich gezeigt, dass „Offenheit der beste Weg“ ist. Eltern, die ihren Kindern die Wahrheit über ihre genetische Herkunft sagten, hatten zu ihren Kindern eine innigere und positivere Beziehung, und zwar sowohl im Vergleich zu Eltern, die ihre Kinder auf natürlichem Wege zeugten, als auch im Vergleich zu Eltern, die ihren Kindern ihre Herkunft verschwiegen.
Pubertät, eine Herausforderung für alle Beteiligten
Aus Sicht der Entwicklungspsychologie wirft die Pubertät spezifische Themen auf, insbesondere auf dem Gebiet der Identitätsbildung. Jugendliche, die dank Spenderzellen geboren wurden, werden sich über ihre Herkunft bewusst und beginnen sich zu fragen, ob sie Geschwister haben, beziehungsweise ob ihr biologischer Elternteil einen Einfluss auf ihre Persönlichkeit hatte (z.B. auf die Charakterzüge). Es stellte sich heraus, dass diese Suche nach den Wurzeln eine Herausforderung besonders für Mütter, die von einer Eizellenspende Gebrauch machten, darstellte. Für sie ist diese Phase problematisch, auch wenn die psychische Gesundheit des Kindes davon in keiner Weise betroffen ist: Die Jugendlichen zeigten im Allgemeinen ein hohes Maß an Anpassung, Selbstachtung sowie psychischer Gesundheit.
Woher kommen dann all diese Befürchtungen?
Die zu Beginn erwähnten Befürchtungen, dass ein nicht-biologischer Elternteil schlechter eine Bindung aufbauen könne, und dass die Psyche eines Kindes aus einer Eizellenspende gefährdet sein könne, stammt zum Teil aus Forschungen zu Familien mit Adoptiv- und Stiefeltern, zu denen aber ein wesentlichen Unterschied besteht: Adoptierte oder Stiefkinder haben oft eine schwierige Familiensituation bzw. eine traumatische Vergangenheit hinter sich, während Kinder aus einer künstlichen Befruchtung von Geburt an von Eltern aufgezogen werden, die sie haben wollten und die sie als ihre eigenen Kinder ansehen. Die wichtigste Rolle für ihre Entwicklung und ihr psychisches Wohl spielt also nicht die biologische Verwandtschaft, sondern innige und offenherzige Beziehungen.